Alltägliche Praktiken und Herausforderungen im sicheren Umgang mit Daten in Schweizer Anwaltskanzleien verstehen...
Der Umgang mit hochsensiblen Daten gehört zum tagtäglichen Geschäft von Anwaltskanzleien, welche sich heutzutage mit einem erhöhten Risiko von Cyberangriffen und Datenverlusten konfrontiert sehen. Gleichzeitig besteht ein erhöhter Druck für Anwaltskanzleien, neue Datenschutzvorschriften wie die DSGVO, die ePR oder das neue DSG einzuhalten.
Hintergrund
Im Februar 2022 lancierte der Lehrstuhl für Medien und Kultur am MCM-HSG ein neues Projekt, um Einstellungen und tägliche Praktiken von Schweizer Jurist*innen in Bezug auf Datenschutz sowie Vorteile innovativer technologischer Lösungen, die sich auf Privacy by Design/Default konzentrieren, zu beleuchten. Das Projekt wurde durch den Innosuisse Innovationcheck gefördert und basierte auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Lehrstuhl für Medien und Kultur des MCM-HSG mit ARCANO, einem Schweizer Unternehmen für Privacy by Design Lösungen für juristisches Filesharing, das daran interessiert war, das Thema Datenschutz in Schweizer Anwaltskanzleien genauer zu verstehen.
Um ein vertieftes Verständnis über Probleme und Herausforderungen zu erlangen, die Anwaltskanzleien in ihrem Arbeitsalltag im Kontext des Datenschutzes beschäftigen, wurde in diesem Forschungsprojekt eine quantitative und qualitative Umfrage unter juristischem Fachpersonal und Anwält*innen in der Schweiz durchgeführt. Die Umfrage konzentrierte sich auf vier Untersuchungsbereiche: 1) Allgemeines Verständnis des Datenschutzes und der Datenschutzbestimmungen, 2) Tagtägliche Praktiken im Austausch von Dateien , 3) Bisherige Erfahrungen mit Datentraining und -bildung und 4) Verständnis von Legal Technology Solutions.
Aus diesem Grund sind die Forschungsergebnisse frei zugänglich und richten sich an den Rechtssektor im Allgemeinen, an die Öffentlichkeit sowie an alle, die an einem tieferen Verständnis der alltäglichen Praktiken und Herausforderungen bei der Entwicklung von «Legal Technology Solutions» interessiert sind.
Ergebnisse
Obwohl die Ergebnisse zeigen, dass das Bewusstsein für den Datenschutz unter den Umfrageteilnehmern*innen generell zunimmt und viele Schweizer Anwaltskanzleien bereits wichtige Schritte für einen sicheren Umgang mit Daten unternehmen, deuten die Ergebnisse auch daraufhin, dass noch viel Raum für Verbesserungen besteht. Insgesamt wurden fünf Herausforderungen identifiziert, die Schweizer Anwaltskanzleien an einem effektiven Datenschutz hindern können: 1) Operationalität, 2) Komplexität und mangelndes Wissen, 3) fehlende Ressourcen und ausgelagerte Lösungen, 4) Kundenanforderungen und 5) Organisationskulturen.
Als Schlüsselstrategie zur Verbesserung des Datenschutzes in Schweizer Anwaltskanzleien schlägt diese Studie eine Kombination aus Verhaltensänderungen und dem Einsatz von sicheren IT-Systemen vor. Konkret sollten Anwaltskanzleien auf Basis der vorliegenden Ergebnisse 1) eine Verbesserung von Datenschulungen in Bezug auf Regelmässigkeit und Inhalte anstreben und 2) vermehrt in Legal-Technology-Solutions investieren, welche einen sicheren Datenaustausch und Privacy by Design oder Default unterstützen.
Obwohl beide vorgeschlagenen Lösungen einen wichtigen Einfluss auf den erfolgreichen Datenschutz in Schweizer Anwaltskanzleien einnehmen können, erkennt diese Studie auch die Gefahr, dass insbesondere kleinere Anwaltskanzleien nicht in der Lage sind, die erforderlichen Ressourcen zur Einhaltung der Datenschutzbestimmungen aufzubringen. Institutionelle Unterstützung in Bezug auf Wissenstransfer sowie erschwingliche Technologielösungen bilden deshalb einen weiteren wichtigen Baustein für einen sicheren Datenschutz in Schweizer Anwaltskanzleien.